Was will ich mit dem Titel ankündigen? Ein Kleinklavier hat im Gegensatz zu einem hohen Klavier einen niedrigeren und somit insgesamt kleineren Klangkörper. Daraus ergibt sich zwingend ein veränderter Klang, den viele als weniger angenehm empfinden. Demzufolge scheint es auf den ersten Blick unlogisch, wenn man sich bei einem Kleinklavier überhaupt um die Verbesserung der Klangs bemüht. Doch es lohnt sich, wie ich Ihnen hier berichten möchte. Das Instrument aus diesem Hörbeispiel ist ein weißes Piano der Firma Schimmel (Braunschweig):
Schimmel gestimmtSo hört sich die Klavierstimmung am Ende an. Alles in Ordnung, da es wie erwartet klingt. Doch wie klang das Klavier vorher? Und wie hörte es sich unterwegs auf dem Weg zur guten Stimmung an? Was lässt sich zu den Zwischenschritten einer Klavierstimmung sagen – oder noch besser: Kann man dabei auch mal zuhören? Praeludio machts möglich! Kommen Sie mit auf eine Reise zur guten Stimmung…
Offen gestanden beginnt unsere gemeinsame Klangreise mit einer etwas seltsamen Aufnahme. Gleich am Anfang auch noch ein Fehler. Was ist hier los? Nun in unserem Piano fehlt ein wichtiges Teil: Die Führung für die Verbindungsstange zwischen rechten Tonhalte-Pedal und der Dämpfer-Abhebestange hinten an der Mechanik. Das merkt man anfangs nicht, da ich durch Halten der Tasten den erwarteten Effekt des Pedals simuliere. Daraus resultierte der Spielfehler. Und am Ende kommt die Offenbarung, wenn nämlich meine 10 Finger sich weder vervielfältigen noch wie Krakenarme verlängern können. Nun hört man deutlich, dass hier ohne Pedal gespielt wird.
Schimmel verstimmtAber wie kann so eine Führung kaputt gehen? Ein Blick in das Innenleben des Klaviers verrät uns, dass dort überraschend viel Plastik, nein Kunststoff verarbeitet worden ist. Auch die Führung der Verbindungsstange war aus Kunststoff. Nach knapp 4 Jahrzehnten ermüdete das Material und es kam zu einer Bruchstelle.
Die Lösung dieses Problems ist nicht ganz einfach. Schließlich kann man ja nicht alle Pedalstangen-Führungen im Kofferraum haben, mit denen Klavierhersteller im Lauf der Zeit experimentiert haben. Glücklicherweise hatte die Stiftung, in der das Klavier steht, einen kompetenten Mann in verantwortlicher Position. Er konnte mir das Ersatzteil aus Holz in nur wenigen Minuten anfertigen!
Vorstimmung Stufe 1Sofort hört mann, dass das rechte Pedal wieder funktioniert. Aber man hört auch ein Klavier, dass jetzt deutlich verstimmter als am Anfang klingt. Wie konnte das geschehen? Unser Piano war am Anfang nicht nur in sich vertimmt, sondern auch auf 435 Hertz gesunken. Damit es im Rahmen der Stiftung gemeinsam mit anderen Instrumenten genutzt werden kann, wurde es von der Klavierstimmerei Praeludio®in einem Termin auf 440 Hertz zum Festpreis höher gestimmt. Sie hören die Aufnahme der Vorstimmung in der Stufe 1, der mindestens eine weitere Stufe folgt. Da eine Vorstimmung immer nur grob ist, erklärt sich die größere Verstimmung in dieser Aufnahme. Und meine Erläuterungen verdeutlichen, warum man das Klavier nach dem Vorstimmen wiederum Feinstimmen muss. Das Vorgehen in Abstufungen ist notwendig, da es sich hier um ein massives Kräftemananagment handelt. Jede einzelne Klaviersaite hat eine Zugfraft von 70 - 100 Newton. (Fast) Jedes Piano hat weit mehr als 200 Saiten!
Es folgt das Probespielen nach der Stimmung. Unser Piano klingt schon besser als am Anfang und viel besser als nach dem Vorstimmen. Doch diese Aussage ist sachlich falsch. Denn genau genommen klingt es wie vorher auch, nur dass man jetzt, nämlich in gestimmten Zustand, die Klang-Unterschiede zwischen den Tönen besser erkennen kann. Manche Töne klingen schärfer, und/oder sind lauter, andere Töne klingen weicher. Ganze Bereiche scheinen harmonischer zu klingen, wie zum Beispiel der Bass. Um diese Unterschiede exakt zuordnen zu können, spielt man die Töne am besten der Reihe nach. In der Tonreihe fallen die Störenfriede deutlich auf. Dann kann man den Klang dieser Töne bearbeiten. Hierzu bedient man sich der Maßnahmen der von Klavierbauern so genannten Intonation. Dabei richtet man die Hämmer auf die Saitenchore, bearbeitet die über die Holzkerne der Klavierhämmer gespannte Filze mit einer speziellen Feile, sticht den durch häufiges Anschlagen stärker gepressten Filz mit Intonier-Nadeln, um ihn wieder elastischer zu machen.
In die folgenden Aufnahme hören Sie eine Live-Intonation. Das Feilen der Hammerfilze kann man hörend nachvollziehen, jedoch nicht das Stechen der Filze. Aber man hört das Ergebnis der verschiedenen Bearbeitungsschritte, nämlich die klanglichen Verbesserungen. Nicht immer erreicht man mit einem Handgriff das erwünschte Ziel. Dann muss man nacharbeiten. Am Ende – und erst jetzt trifft die Aussage zu – klingt das Piano tatsächlich wesentlich besser als am Anfang! Stimmung und Klang sind verbessert. Die unser kritisches Bewusstsein aktivierenden Störungen der Verstimmung sowie der Klangunterschiede sind (weitgehend) beseitigt. Die Musik kann auf der Basis des Unterbewusstseins ihre großartige Wirkung entfalten. Unser Kopf beginnt zu träumen, während sich unser Körper entspannt. Nun tut Klavier spielen richtig gut!
Live-Intonation